Als kleine Belohnung für die oft doch zeitlich aufwendige Arbeit im Stadtrat und der Fraktion machten die Fraktionsmitglieder Anfang November einen Wochenendausflug nach Unterfranken. Die Fahrt sollte zum einen der Erholung dienen, aber durchaus auch einen Nutzen für die Arbeit im Stadtrat haben.
Am Samstag, 2. November, fuhren wir mit dem Bus zunächst nach Abtswind, wo wir das dortige, privat geführte Gewürzmuseum besuchten. Die Abtswinder haben schon im 19. Jahrhundert erkannt, dass das lokale Klima nicht nur günstig ist für den Weinanbau, sondern auch für den Anbau von allerlei Gewürzpflanzen. Aus dieser Tradition heraus gibt es auch heute noch vier Firmen, von denen die größte ca. 800 Beschäftigte hat, die sich mit der Verarbeitung und dem Verkauf von Gewürzen beschäftigen. Heute wird der Großteil der Zutaten importiert, weil zum einen anderswo mehr Flächen zur Verfügung stehen, und weil unser Geschmack nach immer exotischeren Zutaten verlangt.
Nach der Besichtigung ging es zum Mittagessen ins Gasthaus zur Ölmühle, wo wir uns für das nächste Ziel stärkten. Vor der Abfahrt warfen wir noch ein Blick auf eine Senioren-Wohnanlage, die ein lokaler Winzer mit eigenem Geld gebaut hat, ohne staatliche Förderung. Die Wohnungen werden ohne Zusatzleistungen zu sehr günstigen Konditionen vermietet, im Haus gibt es jedoch einen Raum für ärztliche Behandlungen; Zusatzleistungen (Mahlzeiten, Reinigungsdienst etc.) können individuell dazugebucht werden.
Nach einer halbstündigen Fahrt erreichten wir das Hauptziel unserer Reise, die Gemeinde Reichenberg bei Würzburg. Wir hatten uns dort angemeldet, weil die Gemeinde vor einigen Jahren ein beispielhaftes Wohnprojekt für Senioren initiiert hat. Unser Bürgermeister war schon früher dort gewesen, und so wollten wir uns die Einrichtung noch einmal gemeinsam als Fraktion ansehen.
Bei dem Projekt handelt es sich nicht um ein Seniorenheim im landläufigen Sinn, sondern um zwei Seniorenwohngemeinschaften mit jeweils 8 Bewohnern. Als Standort boten sich mehrere ältere Gebäude im Ortszentrum neben der Kirche an. Nach Kauf und Umbau, der von der Gemeinde aus Eigenmitteln und diversen Förderprogrammen finanziert wurde, entstand ein Gebäudekomplex, der sich harmonisch ins Ortsbild einfügt und den Bewohnern kurze Wege garantiert.
Die 16 Seniorinnen und Senioren sind rechtlich gesehen Mieter, sie bringen ihre eigenen Möbel und Einrichtungsgegenstände mit. Jeweils 8 Personen teilen sich einen Gemeinschaftsbereich, in dem sie auch für sich selbst oder bei Lust und Laune gemeinsam kochen können. Wer keine Lust hat, kann auch kochen lassen. Wäsche kann im Haus gewaschen werden.
Das Projekt ist deshalb so interessant, weil hier die gesetzlichen Regelungen für Alten- und Pflegeheime nicht angewendet werden, was die Kosten für die Bewohner deutlich reduziert, weil jeder im rechtlichen Sinn eben nur Wohnungsmieter ist.
Nach dem Abschied blieb bei uns der Eindruck, dass diese Wohnform für ihre Bewohner ein Maximum an Selbstbestimmtheit und Eigenständigkeit bietet. Die Fraktionsmitglieder diskutierten noch am Abend darüber, ob und wie ein solches Modell auch für Velden realisierbar sein könnte.
Zur Dämmerung kam wir in Prichsenstadt an, wo wir im Gasthof zum Storchen Zimmer reserviert hatten. Noch vor dem Abendessen wurden wir vom Prichsenstädter Nachtwächter begrüßt, der uns auf einem Rundgang durch seine Stadt viele schöne Ecken, historische Anekdoten, aber auch die Probleme des Ortes nahebrachte. Wie in so vielen Orten leidet auch Prichsenstadt unter Gebäudeleerstand im Ortskern und Abwanderung der jüngeren Generation. Auch der Denkmalschutz verhindert durch oft nicht nachvollziehbare Entscheidungen eine behutsame Modernisierung des Ortskerns, die vielleicht auch wieder jüngere Menschen ins Zentrum locken könnte.
Beim anschließenden Abendessen und noch bis in die frühen Morgenstunden wurde über die Eindrücke des Tages diskutiert und bei dem einen oder anderen Glas Frankenwein auch der Alltag und die Zeit vergessen.
Am nächsten Morgen fuhren wir nach dem Frühstück nach Würzburg, wo wir in der ehemaligen erzbischöflichen Residenz eine Führung im Hofkeller gebucht hatten. Wir erfuhren, dass von den vier größten Weinbaubetrieben Deutschlands drei in Würzburg beheimatet sind – Hofkeller, Bürgerspital und Juliusspital, nur im Kloster Eberbach im Rheingau wird noch mehr Wein erzeugt. Zum Abschluss wurde uns noch ein Glas Frankenwein aus dem Hofkeller kredenzt.
Auf dem Heimweg machten wir noch für einen Spaziergang und einen Imbiss Rast in Dettelbach. Auf einem Stadtrundgang entdeckten wir an einer Straßenecke einen mittelalterlichen Pranger, bei dessen Anblick einige von uns scherzhaft darüber spekulierten, ob eine solche Bestrafung nicht auch heute noch in manchen Fällen angebracht sein könnte.
Nach staufreier Rückfahrt trafen wir am späten Samstagnachmittag wieder in Velden ein, um viele Eindrücke reicher und frisch gestärkt für die nächsten Aufgaben und Projekte in unserer Stadt.
Die SPD/FWV-Fraktion vor der Seniorenwohngemeinschaft in der Gemeinde Reichenberg bei Würzburg (Foto: Karl-Heinz Aschenbrenner)